Beiträge

Gesellschaft und Arbeitswelt sind einem stetigen Wandel unterworfen. Seit einigen Jahren beobachten Wirtschaftsethiker eine starke Verschlechterung der Arbeitsbedingungen an Arbeitsplätzen. Das bezieht sich auf die Arbeitsumstände aber auch auf die Arbeitsmenge, die der Einzelne zu bewältigen hat. Neben dem zunehmenden Leistungsdruck entsteht immer häufiger ein krasses Missverhältnis zwischen erwarteter Leistung und  dem dafür gezahlten Arbeitslohn (prekäre Beschäftigung). Darüber hinaus nimmt die Zahl der Arbeitsplätze immer weiter ab. Längst ist nicht mehr für jeden ein geeigneter Erwerbsplatz vorhanden. Gleichzeitig sorgt der Staat durch entsprechende Gesetzgebung für eine Stigmatisierung von Menschen, die keine Erwerbsarbeit haben.

Das gelingt vor Allem deshalb sehr gut, weil wir in eine Arbeitsgesellschaft hinein geboren wurden und unser Selbstwertgefühl häufig fast ausschließlich über die Arbeit definieren. Soziologen und Philosophen erhalten immer mehr Hinweise auf eine Verrohung („Ellenbogenmentalität“) und zunehmende Mitleidlosigkeit („Vereisung“) der Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Zunahme psychischer Erkrankungen und der Bedarf an psychologischer Hilfe.

Schnell entstehen verzweifelte Situationen insbesondere dann, wenn Halt und Unterstützung bei Familie und Freunden fehlen. Der Arbeitstag wird zur Qual oder die Erwerbsarbeit fällt ganz weg, die Existenz ist massiv bedroht. Es stellen sich dem einzelnen viele Fragen: Wie mit einer so schwierigen Lage umgehen? Wie lassen sich Perspektiven für mich persönlich entwickeln? Manchmal sogar: Wie kann ich trotz Gängelung meine Würde bewahren?

Natürlich gibt es bereits gesamtgesellschaftliche Lösungsansätze ( z.B. Stichwort: Grundeinkommen), die zum Teil europaweit diskutiert werden. Doch bis zu einer möglichen Umsetzung kann es noch viele Jahre dauern.

Es Bedarf kurzfristiger Lösungen für den Einzelnen, die im Krisenfall auch sofort umsetzbar sein müssen. Ist man selbst in einer solchen schwierigen Lage, muss man nicht verzweifeln und sich allein gelassen fühlen.

Es ist keine persönliche Schwäche psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Im Gegenteil: Psychologische Beratung bietet die Möglichkeit für den Klienten sich zu orientieren, mit dem notwendigen Abstand zur Situation neue Perspektiven zu entwickeln. Neben der akuten Krisenintervention lässt sich auch längerfristig ein „roter Faden“ für den Klienten mit Hilfe der psychologischen Beratung entwickeln. Psychologische Berater sind speziell geschult, so dass der Klient keine Sorge haben muss, dass seine Probleme eine Belastung für den Berater darstellen könnten. Mehr noch, der Berater begleitet den Klienten und bietet ihm so auch ein Stück Halt, der es dem Klienten ermöglicht,einen Weg aus der schwierigen Lage heraus entwickeln zu können.

Ein wichtiges Kriterium, ob eine Beratung gut ist, ist natürlich ihr Gefühl, das sie während der Beratung haben.

Fühle ich mich angenommen, ist der Berater freundlich und wertschätzend?

Diese Mindestanforderungen sollte jeder Berater erfüllen.

Doch reicht das aus? Ist es das, was ich will? Investiere ich Geld und Energie in eine Beratung, die mir im Wesentlichen sagt, dass ich ein liebenswerter Mensch bin… oder will ich mehr?

In Wahrheit ist es doch so, dass jeder, der bewusst eine Beratung in Anspruch nimmt, ziemlich genau weiß, wo die Ursachen seines derzeitigen Problems liegen und er geht deshalb zu einem Berater, weil er sich mit diesen Ursachen auseinander setzen will (obwohl er gleichzeitig auch Angst davor hat).

D. h., er erhofft sich eine wertschätzende Konfrontation  mit seinen Anteilen, die ihm sein aktuelles Leben erschweren  –  und er ist auf der Suche nach Lösungen für ein glücklicheres Leben.

Nun gibt es Berater, die aus unterschiedlichen Gründen dazu neigen, Ratschläge zu geben, d. h. fertige Lösungen anzubieten.

Eine solche Beratung ist ziemlich wertlos, sie kostet lediglich ihr Geld und bringt für ihre Entwicklung  und ihren Wunsch für ein glücklicheres Leben überhaupt nichts! Das einzige was ihnen nach einer solchen Beratung bleibt ist oftmals ein nachträgliches Gefühl von Ärger oder noch schlimmer – von Resignation.

Die Begründung für diese Behauptung liefert uns die tiefenpsychologische Analyse der Persönlichkeit.

Der Teil unserer Gefühle in der Persönlichkeit (Kind-Ich) wehrt sich grundsätzlich gegen Ratschläge, weil sie ihm das Gefühl vermitteln, „alleine kannst du es nicht, ohne meine Ratschläge bist du nicht lebensfähig“. Dieser Mechanismus des Widerstandes ist sehr sinnvoll; hierdurch zeichnet sich unsere individuelle Persönlichkeit aus. Aus ihm ziehen wir unseren Selbstwert. D. h., Ratschläge gefährden unseren Selbstwert und werden deshalb rigoros von einem gesunden Unterbewusstsein abgelehnt.

In der Praxis bedeutet dies, dass wir zwar manchmal vordergründig und vorschnell Ratschlägen zustimmen und uns möglicherweise sogar gut fühlen, weil wir an die Lösung glauben „wollen“.

Wir werden solche Lösungen jedoch niemals umsetzen, weil es nicht unsere Lösungen sind und nach einigen Tagen werden wir wieder „in den alten Trott“ verfallen und weiter unglücklich sein…

Deshalb meine These zum Abschluss dieses kurzen Artikels:

Eine gute Beratung (guten Berater) erkenne ich daran, dass er mich auf eine freundliche und wertschätzende Art mit meinen eigenen Anteilen konfrontiert und mich dabei begleitet, meine eigenen Lösungen zu finden. Dies werden Lösungen sein, die ich auch umsetzen werde, weil ich stolz darauf bin und sie deshalb nicht von meinem inneren Kind boykottiert werden.

  • Wenn Sie diese Thematik für sich vertiefen wollen, empfehle ich Ihnen Literatur zur Transaktionsanalyse (TA).

Seien Sie freundlich mit sich selbst!

Ihr

J. R.Remmé

Counselor grad. (BVPPT)

Gestalttherapeut & Orientierungsanalytiker

Altensteig,  27. Mai 2010

Sorgentelefon